Engineering Management ×12

Artikel vom 2. Oktober 2021. ISSN 1614-3124, #68. Schwerpunkt: (RSS-Feed für alle Themen).

Mit diesem Beitrag steige ich vom förmlichen »Sie« aufs nahbarere »du« um. Alte Inhalte werde ich voraussichtlich nicht anpassen.

Eine lange Zeit meiner Laufbahn war ich »Individual Contributor«, ein Mitarbeiter ohne Personalverantwortung. Das schloss Projekt- und Arbeitsgruppen-, auch People-Management ein, aber ich konzentrierte mich primär auf technische Leitung. 2018 änderte sich dies, und ich bereitete mich vor, verstärkt Führungsaufgaben zu übernehmen. Nachdem sum.cumo dafür keine Perspektive bot, schloss ich diesen Übergang ab, als ich bei Jimdo als Engineering Manager startete.

Für meine Arbeit als Engineering Manager ist es auch interessant, auf Erfahrungen mit den eigenen Vorgesetzten zu schauen. Während meiner Zeit bei Google habe ich wahrscheinlich meine besten Manager gehabt (Stichwort Googliness), aber ich fühle mich bis heute auch noch vom Führungsteam bei OPEN KNOWLEDGE inspiriert, wo ich von 2001 bis 2003 arbeitete. Ich glaube, dass gute Manager auch gute Manager produzieren.

Was aber hat mich als Manager beeinflusst, was habe ich über Management und Führung gelernt, und wofür stehe ich als Engineering Manager? 12 Gedanken.

Inhalt

  1. »Competence, Caring, Conviction« (Kompetenz, Fürsorge, Überzeugung)
  2. Denke »was«, nicht »wie«
  3. Hab ein System
  4. Konzentriere dich auf den Prozess
  5. Geh mit gutem Beispiel voran
  6. Kommuniziere
  7. Delegiere
  8. Schenke Vertrauen
  9. Sei für dein Team da
  10. Achte auf die Gesundheit des Teams
  11. Manage nach oben
  12. Bleib bescheiden

1. »Competence, Caring, Conviction« (Kompetenz, Fürsorge, Überzeugung)

Mit einer greifbareren Fassung von »Googliness« hat auch Jim Mattis meine Arbeit inspiriert und geleitet. (Gutes Buch: Call Sign Chaos: Learning to Lead.) Es ist wichtig, kompetent zu sein, und sich regelmäßig zu verbessern. Es ist wichtig, sich um Menschen, ihr Wohlbefinden, ihre Entwicklung zu kümmern. Und es ist wichtig, Werte zu pflegen und leben.

Wenn wir Führungskräfte scheitern sehen, dann oft in einem dieser drei Bereiche: Sie erscheinen nicht kompetent, sie kümmern sich nicht genug um Menschen oder sie stehen für nichts.

2. Denke »was«, nicht »wie«

Ich weiß nicht mehr, wo ich dies gelernt habe: Als Manager ist es wichtiger, sich darauf zu konzentrieren, was gemacht wird, als wie es gemacht wird. Das »wie« kann und sollte den Teams überlassen werden. Es ist der Startpunkt für Selbstorganisation. Es erlaubt Teams, Entscheidungen zu fällen (und Fehler zu machen). Es befreit Führungskräfte davon, in zeitaufwendige Details gezogen zu werden, für die es in der Regel eine große Zahl von gleichwertigen Optionen gibt.

Ich muss mich immer mal wieder selbst daran erinnern (als Entwickler habe ich ja auch Ideen, »wie« etwas gemacht werden sollte), aber es ist für mich wesentlich nützlicher und ökonomischer, auf das »was« zu achten. Micro-Manager und die Manager, die konstant gestresst und unzufrieden wirken, scheinen oftmals die zu sein, die dieses Prinzip verletzen, und die davon profitieren mögen, darauf Fokus zu legen, was gemacht wird.

3. Hab ein System

»Organisation ist nicht alles, aber ohne Organisation ist alles nichts«, pflegte einer meiner Informatiklehrer zu sagen. (Ich widmete ihm The Little Book of HTML/CSS Coding Guidelines.) Ich glaube nicht, dass man die Arbeit als Engineering Manager ohne irgendeine Form von Organisation, ohne irgendeine Art von System leisten kann.

Was für ein System wäre das? Dein eigenes. Du musst herausfinden, was für dich funktioniert. Aber so unspezifisch, wie das klingen mag, ist Hilfe natürlich nicht weit. Ein ausgezeichnetes Buch und ein Klassiker zum Thema Produktivität ist David Allens Getting Things Done. Als ich das Buch vor Jahren gelesen hatte, setzte ich mich hin, um alle Hauptpunkte durchzugehen, um ein System für meine eigene Arbeit zu entwickeln. Die Säulen davon erwiesen sich als extrem hilfreich und bestehen noch heute; auf ein paar davon wies ich in späteren Beiträgen hin, wie die Idee von Erledigen, Delegieren, Zurückstellen oder den Gebrauch von Erinnerungen (wobei ich diese anders und ausgiebiger verwende).

Der Punkt ist, dass ein Manager ein System benötigt, um seine Arbeit verlässlich erledigen – und seinen Kopf frei kriegen zu können.

4. Konzentriere dich auf den Prozess

Du kannst nicht alles auf einmal machen. Es gibt auch kein »perfekt«. Und so kann man managen und führen als Prozess verstehen. Für viele fühlt sich das natürlich an. Für andere ist es schwieriger – entweder sind sie streng gegenüber anderen, dass sie ein Ergebnis noch nicht erreicht haben, oder sie sind streng gegenüber sich selbst, dass sie selbst ein Ergebnis noch nicht erreicht haben.

Es ist wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass alles ein Prozess ist – weil es dies ist:

Dies ist bei der Planung und Priorisierung nützlich, sowie bei der Änderung von Plänen und Prioritäten. Die Tatsache, dass vieles ein Prozess ist, dass über vieles iteriert werden kann gibt Freiraum: Du kannst Dinge herausnehmen oder einbauen, du kannst Dinge höher und niedriger priorisieren, es ist okay, dass manche Dinge nicht jetzt fertig sind, weil sie dies auch morgen oder den Tag darauf sein können. Das sollte jedoch nicht als Entschuldigung dienen: Du willst immer noch deine Verpflichtungen erfüllen. (Damit dies alles leichter geht, benutzt du ein System.)

5. Geh mit gutem Beispiel voran

Eine wichtige Qualität, die man sich aneignen sollte, ist, mit gutem Beispiel voranzugehen. Das ist als Manager noch wichtiger. Bist du kompetent in dem, das du tust? Behandelst du andere respektvoll? Schenkst du anderen volle Aufmerksamkeit? Hebst du die Arbeit anderer hervor? Investierst du in sie, und in dich selbst? Andere bemerken so etwas.

Mach das, was du von deinen Teams erwartest, und zögere nicht, deine Hände selbst »schmutzig« zu machen. Geh mit Beispiel voran.

6. Kommuniziere

Als Leiter, als Manager, als Engineering Manager ist es wichtig, kommunizieren zu können. Du musst in der Lage sein, präzise zu sein, aber auch Kontext zu geben. In leitenden Funktionen ist »Unterkommunikation« (zu wenig kommunizieren) schlimmer als »Überkommunikation«.

Überkommunizieren und zu viel kommunizieren ist wichtig, um deine Ziele deutlich zu machen und jeden in die Lage zu versetzen, sich und seine Arbeit zu organisieren und auf diese Ziele hinzuarbeiten. Du willst keine co-abhängigen Teams und Kollegen, die jede Kleinigkeit nochmal mit dir besprechen und abklären müssen – du möchtest Teams und Kollegen, die ganz genau wissen, was der Hintergrund und das Ziel der Mission ist. Dies befähigt und stärkt sie – und befreit und befähigt und stärkt dich.

Kommuniziere zeitig, kommuniziere oft, kommuniziere klar, wiederhole, um jeden zu erreichen, gib Kontext, teile die Vision, kommuniziere.

Ich bin hierzu mal durch die Bücher gegangen, die ich zum Thema Kommunikation kenne, und Harvard Business Reviews On Communication ist eine vernünftige Option zur Vertiefung.

7. Delegiere

Der nächste Punkt dreht sich um Delegierung, und darum, tatsächlich zu delegieren. Ich glaube, dass du nicht alles selbst machen kannst, und dies auch gar nicht willst. Ich habe Kollegen durchaus aber genau das versuchen sehen. Wenn ihnen etwas wichtig ist, dann kümmern sie sich selbst, oder beobachten (micro-managen?) es genau.

Wir sind hier wieder beim »was« und beim »wie«. Wenn du so tief eintauchst, dass du dich darum sorgst, »wie« etwas gemacht wird, ist es vielleicht auch schwieriger, die entsprechende Arbeit zu delegieren. Erhöhe die Flughöhe, und konzentriere dich auf das »was«. Übergib dies dann deinem Team, und widme dich anderen Prioritäten (wie den Menschen, die dein Team bilden.)

8. Schenke Vertrauen

Ist dies eine Idee oder ein Tipp zu Management? Ich bin mir nicht sicher. Vertrauen ist jedoch etwas Grundsätzliches, und wenn es etwas gibt, dass mit der reibungslosen Abwicklung unserer Arbeit und dem reibungslosen Betrieb unserer Teams kollidieren kann, dann mag es etwas mit Vertrauen zu tun haben. Oder mit Misstrauen.

Da Vertrauen so grundlegend wichtig ist, glaube ich nicht, dass ich hier viel mehr tun muss, als eine Beobachtung zu teilen: Du kannst dich dazu entscheiden, Vertrauen zu schenken. Du kannst dich entscheiden, deinem Team zu vertrauen, du kannst dich entscheiden, deinen Kollegen zu vertrauen, du kannst dich entscheiden, deinen Vorgesetzten zu vertrauen. (Du kannst dich genauso entscheiden, ihnen zu misstrauen. Leben bedeutet, Entscheidungen zu treffen.)

Ich hatte vor einigen Monaten einen Moment in meiner Laufbahn, in dem ich genau das tun musste, (zusätzliches) Vertrauen zu schenken. Ich weiß nicht, ob es die richtige Wahl war – ich weiß es nicht –, aber was mir damals klar und für mich hilfreich war, war, ganz bewusst die Entscheidung zu treffen, Vertrauen zu geben. Du kannst dies genauso.

9. Sei für dein Team da

Als Manager willst du für dein Team da sein. Du musst und kannst in der Regel nicht alle Zeit mit deinem Team verbringen, aber es ist wichtig, Kontakt zu halten und erreichbar zu sein. Hier sind ein paar Angewohnheiten, die sich für mich als nützlich erwiesen haben:

Es ist selten, dass jemand ein zusätzliches Gespräch wünscht, aber ich kann nicht sagen, ob es dafür bisher wenige Gründe gab, die Häufigkeit und Regelmäßigkeit der 1:1s einfach ausreicht, oder dies durch eine gewisse »Machtdistanz« bedingt wird.

Mir ist aber früh aufgefallen, wie wichtig die Teilnahme an Dailies ist, nachdem ich mich aus diesen mal für ein paar Wochen rausgezogen hatte. Es war erstaunlich, zu sehen, was für eine Distanz dies sowohl aus menschlicher als auch organisatorischer Sicht erzeugte. Den Dailies wieder beizuwohnen, ermöglichte mir schnell, wieder eine gute Verbindung zu Team und Arbeit zu gewährleisten.

Besonders wichtig ist für mich der Teil, da zu sein, zu jeder Zeit, für jedes Thema. Ich betrachte Jahres- und ähnliche Gespräche als Sicherheitsmaßnahme, dass bestimmte Themen behandelt werden, aber nicht als einzige Möglichkeit, sich diese anzuschauen. Ich glaube stark daran, dass Themen dann besprochen werden sollten, wenn sie schon für eine Seite relevant sind.

10. Achte auf die Gesundheit des Teams

Teamgesundheit ist ein interessantes Thema, und ich bin nicht sicher, ob ich hier schon »alles« verstanden habe. Es ist ein für sich wichtiges Thema, und es ist für meine, für unsere Arbeit wichtig. Nachdem ich mich zunächst mehr auf das Gefühl verlassen hatte, ob ein Team von guter Gesundheit ist, adaptierte ich später Spotifys »Squad Health Check«-Modell (mit Dank an Nadja Macht). Ich legte ein Google-Formular mit allen relevanten Einträgen an (mit einer 5- und nicht 3-Punkte-Skala), das ich jeden Monat teilte, um Ergebnisse und Entwicklung im Anschluss mit dem Team zu besprechen.

Auch wenn ich dies als so hilfreich empfinde, dass ich in das System investiere, um die Entwicklung über die Zeit besser beobachten und beurteilen zu können, kann ich nicht sagen, dass alles »erledigt« ist. Umfragen wie diese scheinen mir etwas »steril« zu sein, speziell für etwas so dynamisches und lebendiges wie Teamgeist. Der Punkt hier aber ist der – achte auf die Gesundheit deines Teams.

11. Manage nach oben

Obwohl es passieren kann, dass wir uns in so vielen Meetings wiederfinden, mit so vielen Prioritäten, dass wir den Kontakt zu unseren Teams verlieren, kann es ebenso vorkommen, dass wir den Kontakt zu unseren Vorgesetzten verlieren. Nach oben managen – gute Beziehungen mit unseren Vorgesetzten pflegen und Erwartungen mit ihnen austauschen – ist für unsere Arbeit daher ebenso wichtig.

Ich hatte hiermit bisher unterschiedliche Erfahrungen, aber diese waren eher aus persönlichen denn aus fachlichen Gründen unterschiedlich. Wenn du mit deinem Manager nicht klarkommst, wenn ihr keine gute Beziehung aufbauen könnt, wenn dein Manager dich vielleicht nicht respektiert, dann ist das ein Problem. Arbeite daran – und wenn es sich nicht verbessert, geh. Ich kann hier noch keinen besseren Rat geben.

Die Idee ist aber, mit deinem Manager und auch mit deren Manager zu arbeiten. Etabliere eine verlässliche Beziehung. Setze Erwartungen. Warte nicht zu lange, um auf Probleme hinzuweisen (ich habe diesen Fehler gemacht).

12. Bleib bescheiden

Schlussendlich, zumindest für diese Sammlung von Gedanken: Bleib bescheiden. Wir sind alle gleich. Wir sind alle Menschen. Wir haben alle Bedürfnisse und Wünsche. Wo sich irgendjemand gerade auf der organisatorischen Karte befindet, bestimmt nicht ihren »Wert«. Das Organigramm ist nur ein Schnappschuss beruflicher Entscheidungen, betrachtet durch die verzerrte Linse des wirtschaftlichen Wertesystems. Der Schnappschuss von morgen kann anders aussehen. Der Schnappschuss des Lebens sieht anders aus. Bleib bescheiden, und sei menschlich.

❧ Ich könnte so weitermachen: Hab einen positiven Einfluss über dein Team hinaus; gib die Hoffnung bei niemand auf; halte einfühlsamen Abstand; &c. pp. Management dreht sich um Menschen, und das ist das Schöne und das Herausfordernde. Lasst uns das an anderer Stelle fortsetzen.

Hugh ruft seine Leute unauffällig zusammen … mit einem von Mann zu Mann weitergegebenen Vogelschrei. Eisenherz sagt ihnen, welche Informationen gebraucht werden, erteilt aber keine Befehle. Denn er weiß, dass die Männer des Waldes eigene Methoden haben.

Abbildung: Führung, nochmal. (Copyright King Features Syndicate, Inc., vertrieben durch Bulls.)

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Über mich

Jens Oliver Meiert, am 30. September 2021.

Ich bin Jens, und ich bin ein Engineering Lead und Autor. Ich habe als technischer Leiter für Firmen wie Google und als Engineering Manager für Firmen wie Miro gearbeitet, bin W3C und WHATWG verbunden und schreibe und prüfe Fachbücher für O’Reilly und Frontend Dogma.

Mit meinem aktuellen Umzug nach Spanien bin ich offen für eine neue Führungsposition im Frontend-Bereich. Beachte und empfehle gerne meinen Lebenslauf oder mein LinkedIn-Profil.

Ich experimentiere gerne, nicht nur in der Webentwicklung, sondern auch in anderen Bereichen wie der Philosophie. Hier auf meiert.com teile ich einige meiner Ansichten und Erfahrungen.